Die Tageszeitung Frankfurter Rundschau veröffentlichte heute, am 20.2.2024 einen Artikel, in der sie im Titel die Frage stellt, ob die Kampfkraft der russischen Armee in 2 Jahren erloschen sein könnte. Die aktuelle Eroberung der ukrainischen Stadt Awdijiwka forderte z. B. auf Seiten der Angreifer hohe Verluste. Solche Einschätzungen könnten zutreffend sein, widersprechen aber der historischen Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg.
www.antisla.de wirft in seiner Chronik täglich einen Blick zurück. Was geschah heute vor 80 Jahren im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz? Wo stand die Wehrmacht an diesem Tag an der Ostfront?
Normalerweise stehen die Geschehnisse im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz im Vordergrund unserer Rückblicke. Der Artikel der Tageszeitung Frankfurter Rundschau veranlasst uns allerdings zu einem aktuellen Beitrag und einigen vorsichtigen historischen Anmerkungen in Bezug auf die Kriegsführung der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Unser steter Rückblick auf die Zeit vor 80 Jahren bietet einen historischen Bezugspunkt an: Aktuell sprechen wir über Eroberung der ukrainischen Stadt Awdijiwka durch die russische Armee. Vor 80 Jahren gewann die sowjetische Armee gegen die deutsche Wehrmacht die Schlacht um den Kessel von Tscherkassy. Das militärische Vorgehen zeigt Ähnlichkeiten.
Was war der Kessel von Tscherkassy? Seit dem 28. Januar 1944 war es der Roten Armee gelungen, sechs deutsche Divisionen, etwa 60 bis 80.000 Mann, südlich von Kiew nach dem Übergang über den Dnjepr einzukesseln. Der Kessel befand sich westlich von Tscherkassy, heute eine ukrainische Stadt mit etwa 280.000 EinwohnerInnen. Die Schlacht endete mit der Niederlage der Wehrmacht. Sie verlor etwa die Hälfte ihrer Soldaten, nachdem die Rote Armee die Eingeschlossenen auf einer Fläche von 5 km Länge und 7 km Breite zusammengedrängt hatte.
Im historischen Rückblick fallen Ähnlichkeiten in der Kriegsführung der Roten Armee und der heutigen russischen Armee auf.
– Die Rote Armee praktizierte im Zweiten Weltkrieg das System der Kesselschlacht. Dabei wurde versucht, den Gegner mit eigenen Truppen einzuschließen und dann vor allem mit Artillerie zu beschießen. Die Flucht der ukrainischen Armee aus Awdijiwka, um dem hier geschaffenen Kessel zu entkommen, erinnern im Vorgehen an den damaligen Kampf der Roten Armee gegen die deutschen Divisionen in Tscherkassy. Letzteren gelang es nur mit Mühe, sich aus der Umklammerung zu lösen und sich in neue Stellungen zurückzuziehen.
– Die entscheidende Wende im Zweiten Weltkrieg zwischen der Roten Armee und der Wehrmacht wurde 1943/1944 genau dort ausgefochten, wo heute der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stattfindet. Die russische Armee kämpft auf dem gleichen Terrain.
– Die zahlenmäßige Überlegenheit der Roten Armee gegenüber dem Feind war auch im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Faktor. Sie verlor etwa 11 Millionen Soldaten an der Ostfront, die Wehrmacht etwa 6 Millionen an allen Fronten. Von Beginn des Krieges an setzte die Wehrmachtsführung darauf, dass die Sowjetunion keine Soldaten mehr haben würde. Man müsse nur durchhalten – einer der vielen Irrtümer der NS-Wehrmachtsführung und der SS.
– Die Rote Armee setzte die Quantität ihrer Soldaten gegen die überlegene technische Ausrüstung der Wehrmacht. Sie bezahlte dies mit hohen Verlusten, die sie aber für den Sieg in Kauf nahm.
– Die waffentechnische Überlegenheit der Roten Armee lag weniger in der Qualität als in der hohen Quantität vor allem ihrer Artillerie und ihrer Panzer.
Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber es gibt sichtbare Ähnlichkeiten in der Kriegsführung der Roten Armee und der heutigen russischen Armee in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine, die beunruhigen. Die Unterschätzung der russischen Armee wie sie im Titel des Artikels der Frankfurter Rundschau anklingt, hat aus historischer Sicht mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg Parallelen. Daraus könnten umfangreiche möglichen Konsequenzen folgen.
Ein heutiger, möglicher erfolgreicher Vormarsch der russischen Armee könnte eine neue Fluchtbewegung aus der Ukraine zur Folge haben, die auch Deutschland erreichen würde. Möglicherweise könnte das wiederum die antislawischen Ressentiments der RechtsextremistInnen hierzulande verstärken. Insbesondere dann, wenn keine frühzeitigen Überlegungen der Politik zu einer solchen möglichen Situation angestellt werden.
Artikel in der Tageszeitung Frankfurter Rundschau: https://www.fr.de/politik/gegenoffensive-awdijiwka-ukraine-krieg-wladimir-putin-russland-nato-raketen-verluste-92842295.html
Zum Kessel von Tscherkassy: https://warfarehistorynetwork.com/article/furious-fight-in-a-frozen-hell/